Klappentext:
Den Verlobten an Heiligabend beim Fremdgehen zu erwischen, ist ein guter Grund, Weihnachten zu hassen.
Charity Davies wurde betrogen - und ganz England weiß davon. Denn Charity ist nicht irgendwer. Sie ist die Tochter eines Supermodels und ihr desaströses Liebesleben immer eine Schlagzeile wert. Um endlich ein normales Leben führen zu können, beschließt sie, London zu verlassen.
Das ruhige Dorf ihrer Grandma scheint für einen Neuanfang wie geschaffen. Dort gibt es nichts, was sie von der Eröffnung ihres Geschenkeladens ablenken könnte.
Bis sie William begegnet, der ebenfalls neu im Dorf ist und so ganz anders, als Charity zunächst angenommen hat. Der verboten heiße Reverend lehrt sie, wieder an sich selbst und die Liebe zu glauben.
Bis die Vergangenheit beide einholt …
Textauszug
„Hast du die Kostüme gesehen, die
wir für den Auftritt mit dem Chor an Weihnachten anziehen sollen?“
Will schüttelt den Kopf. „Nein,
noch nicht. Aber vermutlich sind sie ziemlich altbacken.“
„‚Mottenzerfressen‘ trifft es
eher. Nach der Probe sind wir noch zu Dolores nach Hause gefahren und mussten sie anprobieren. Mein Oberteil hatte insgesamt fünfzehn Löcher und stank so erbärmlich nach Mottenkugeln, dass mir
fast schlecht wurde. Als ich mir die Bemerkung erlaubte, dass die Mottenkugeln offensichtlich nichts mehr nützen, hat Dolores mich mit diesem speziellen Blick gemustert und gemeint, dass ich mir
ja was einfallen lassen könnte, wo ich doch so kreativ veranlagt wäre.“
„Aber du bist Floristin und keine
Schneiderin.“
„Das habe ich auch gesagt, aber
die Gemeinde hat kein Geld für einen Schneider oder neue Klamotten, da ja alles für – ich zitiere – ‚alberne Krippenspiele‘ zum Fenster hinausgeworfen wird. Man muss eben improvisieren, und wenn
ich ein Teil dieser Gemeinde sein wollte, müsste ich diese Lektion so früh wie möglich lernen. Also habe ich zwanzig stinkende, mottenzerfressene Oberteile in meinem Zimmer liegen, die ich
irgendwie aufhübschen darf. Vielen Dank auch, Reverend.“
„Ich entschuldige mich in aller
Form und helfe dir natürlich beim Verschönern.“ Ich kann Will anmerken, wie er, um Ernsthaftigkeit bemüht, versucht, das Lachen zu unterdrücken.
„Das will ich dir auch geraten
haben.“ Ich stupse ihn mit der Schulter an und grinse.
„Wenn meine Mutter mich in diesen
Klamotten sehen würde, wie ich in einem Kirchenchor singe, würde sie in Ohnmacht fallen.“
„Sie kommt zu der Aufführung?“,
hakt Will freudig überrascht nach. Das Grinsen weicht schlagartig von meinem Gesicht. Im selben Moment frage ich mich, wieso ich die Sprache auf meine Mutter gebracht habe.
„Nein“, ist meine knappe Antwort.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Will noch etwas fragen möchte, doch ich beschleunige meine Schritte. Auf gar keinen Fall will ich über meine Mutter oder meine verkorkste Kindheit reden. Wenn
ich einmal davon anfange, weiß ich genau, dass ich Will alles erzählen werde. Aber er soll die neue Charity kennenlernen. Die, die unabhängig und stark ist. „Wie bist du eigentlich zum Kickboxen
gekommen?“, erkundige ich mich und verlangsame meine Schritte wieder, um nicht gänzlich aus der Puste zu kommen. Ich hätte die Pizza gestern vielleicht doch nicht komplett essen sollen. „Ich
dachte, dass Priester sich eher für Frieden und Verständigung einsetzen und Gewalt verabscheuen.“
„Ich verabscheue Gewalt. Und das
ist auch genau der Grund, warum ich Kickboxunterricht genommen habe.“
„Das verstehe ich
nicht.“
„Sagen wir einfach, meine Kindheit
war auch nicht so unbeschwert. Genau wie deine.“
„Woher willst du das wissen?“,
frage ich alarmiert und schärfer als beabsichtigt. „Du kennst mich doch gar nicht.“
Will bleibt stehen und ergreift
meine Hand, um mich ebenfalls zum Stehenbleiben zu bewegen. Wo sich unsere Haut berührt, fängt es an zu kribbeln. Sein Blick sucht den meinen, und als wir uns finden, muss ich mich zwingen
weiterzuatmen. „Ich bin nicht dein Feind, Charity.“
Ich schlucke hart, doch der Kloß
in meinem Hals will nicht verschwinden. „Wie kann ich mir da sicher sein?“
„Das kannst du nicht. Genauso
wenig, wie ich weiß, ob du mir nicht das Herz brechen wirst, wenn ich dir meine Gefühle offenbare. Und trotzdem tue ich es.“
Habe ich richtig gehört? Das muss
ein Traum sein! Oh Gott, ich habe das Gefühl, gleich zu hyperventilieren.
„Du sagst, dass ich dich nicht
kenne, Charity. Aber da liegst du falsch. Als Priester muss ich lernen zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn die Leute zum Beichten kommen, haben viele Angst davor, ihren Fehltritt wirklich
auszusprechen. Deswegen lasse ich sie erst mal erzählen. Allein von dem, was sie mir so von ihrem Alltag schildern, weiß ich, was in ihrem Herzen vorgeht. Und du, Charity, hast ein reines,
gütiges Herz, das Frieden verdient hat. Es sieht bestimmt nicht mehr so schön aus, da einige dort Spuren und andere Narben hinterlassen haben. Es ist voller Flicken und mottenzerfressen.“ Bei
diesem Vergleich müssen wir beide kurz lachen. Schneeflocken setzen sich in seinem Haar und auf seinen Wimpern fest, die sofort schmelzen. Genau wie ich, wenn er lacht. Dann wird er wieder ernst.
„Was andere deinem Herzen angetan haben, kann ich nicht ungeschehen machen. Aber ich kann derjenige sein, der auch deine Narben liebt.“
Gänsehaut überzieht meinen ganzen
Körper, als er sich langsam zu mir herunterbeugt. Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden so sehr gewollt wie ihn. Auch wenn mein Gehirn noch immer leise schreit, dass dies eine Falle ist und
ich weglaufen soll, wie ich es das ganze letzte Jahr getan habe. Kurz bevor sich unsere Lippen berühren, hält er inne. Es ist eine unausgesprochene Frage. Eine letzte Möglichkeit, sich nicht
hoffnungslos in ihn zu verlieben und stattdessen mein abstinentes Leben wie gewohnt fortzuführen.
Noch nie ist mir eine Entscheidung
so leichtgefallen wie in diesem Moment. Als sich unsere Lippen berühren, weiß ich, dass es das einzig Richtige ist. In meinem Inneren explodieren Glücksgefühle, derer ich kaum Herr werden kann.
Wäre ich ein Zauberer, wäre dies mein Patronus-Moment.
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